25.11.2024
Politik
Thailands Gratwanderung im Tourismus 2024
Vom Nachhaltigkeitsversprechen zum Besucherboom
Vergessene Versprechen
Im Januar 2021, während der Pandemie, verkündete die thailändische Regierung einen radikalen Wandel in ihrer Tourismusstrategie. "Der Tourismus in Thailand wird nie mehr so werden wie er war", hieß es Anfang 2021 in einem Artikel. Die Botschaft war klar: Es sollte kein Massentourismus mehr gefördert werden. Die Regierung setzte deshalb auf Qualität statt Quantität, um Overtourismus, Umweltschäden und die Abhängigkeit von einem instabilen Sektor zu minimieren.Diese Strategie war durchdacht. Overtourismus hatte vor der Pandemie nicht nur die Infrastruktur vieler touristischer Hotspots wie Phuket oder Pattaya überlastet, sondern auch die Natur stark belastet. Der thailändische Tourismusminister hat damals klar gesagt, dass der Fokus nun auf Nachhaltigkeit, hochwertige Besucher und weniger besuchte Regionen gelegt wird.
Doch im Jahr 2024 sieht die Realität anders aus, und zwar so: Die Regierung setzt nicht etwa auf eine bewusste Begrenzung der Touristenanzahl, sondern auf Maßnahmen, die den Zustrom weiter erhöhen sollen. Visa-Erleichterungen, längere Aufenthaltsgenehmigungen und staatliche Förderprogramme zur Vermarktung bisher weniger touristischer Gebiete wie Nordthailand oder des Isaan. Diese Schritte stehen im Gegensatz zu den Versprechen von 2021 und werfen die Frage auf, ob Thailand tatsächlich an der Nachhaltigkeitsstrategie festhält – oder ob finanzielle Interessen die ursprünglichen Ziele verdrängt haben.
Regierung im Widerspruch
Im April 2024 hat Premierminister Srettha Thavisin Maßnahmen gegen Overtourismus gefordert. In einem Artikel wurde nachgewiesen, dass überfüllte Hotspots wie Phuket und Bangkok nicht nur die Lebensqualität der Anwohner beeinträchtigen, sondern auch die Attraktivität Thailands als Reiseziel langfristig gefährden. Die Regierung machte deutlich, dass sie die Zahl der Touristen in sensiblen Gebieten kontrollieren und gleichzeitig die Nachhaltigkeit fördern muss.Doch die derzeitige Politik erzählt eine andere Geschichte. Maßnahmen wie die visumfreie Einreise für chinesische und kasachische Staatsbürger oder die Verlängerung der Aufenthaltsdauer sind eindeutig darauf ausgelegt, mehr Besucher ins Land zu holen – unabhängig von der Kapazität der Infrastruktur oder der Umweltverträglichkeit. Es gibt zwar regionale Förderprogramme, die weniger besuchte Gebiete attraktiver machen sollen, doch diese reichen bei Weitem nicht aus, um die Last von den ohnehin überfüllten Orten zu nehmen.
Umwelt und Infrastruktur am Limit
Der Rückkehr zum Massentourismus birgt Risiken, die weit über die kurzfristigen finanziellen Vorteile hinausgehen. Bereits vor der Pandemie war Thailand mit erheblichen Problemen konfrontiert: Abfallberge, zerstörte Korallenriffe und überlastete Verkehrssysteme gehörten zu den Herausforderungen. Während der Pandemie erholte sich die Natur spürbar, doch dieser Fortschritt droht nun durch die erneute Überlastung verloren zu gehen.Die Rückkehr der Touristen führte auch zu massiven infrastrukturellen Herausforderungen in beliebten Regionen Thailands wie Hua Hin, Koh Phangan, Krabi und den Phi Phi Inseln. Im Jahr 2024 kämpften diese Regionen mit akuter Wasserknappheit, da die lokale Versorgung den sprunghaft gestiegenen Bedarf kaum decken konnte. Vor allem in der Trockenzeit spitzte sich die Situation zu, was nicht nur für die Bewohner, sondern auch für Touristen zu spürbaren Einschränkungen führte.
Gleichzeitig sind Phuket und Pattaya erneut Brennpunkte für die negativen Folgen des Massentourismus. Überquellende Müllberge und ein völlig überlastetes Verkehrssystem prägen den Alltag. Straßen, die ohnehin nicht für das immense Verkehrsaufkommen ausgelegt sind, werden zum Albtraum für Einheimische und Besucher. Diese Missstände werfen ernsthafte Fragen nach der Nachhaltigkeit und Belastbarkeit der touristischen Hotspots auf und zeigen die Dringlichkeit langfristiger Lösungen.
Wirtschaftliche Abhängigkeit
Es lässt sich nicht leugnen, dass der Tourismus für Thailand eine wichtige Einnahmequelle darstellt. Im Jahr 2024 machen die Einnahmen aus dem Tourismus wieder einen erheblichen Teil des Bruttoinlandsprodukts aus. Dennoch stellt sich die Frage, ob die langfristigen Kosten – Umweltzerstörung, soziale Spannungen und eine übermäßige Abhängigkeit von Touristen – diese kurzfristigen Gewinne rechtfertigen.Thailands Tourismusstrategie steht im Spannungsfeld zwischen wirtschaftlichem Erfolg und nachhaltiger Entwicklung. Während die Rekordzahlen von 2024 den wirtschaftlichen Erfolg unterstreichen, rufen sie auch die verfehlten Versprechen von Nachhaltigkeit und Qualitätstourismus ins Gedächtnis.
Anm. der Red.:
Die Regierung und vor allem die TAT, die thailändische Fremdenverkehrsbehörde, deren Hauptaufgabe darin zu bestehen scheint, mehr und mehr Touristen in das wunderschöne Land zu pressen, muss dringend klare Prioritäten setzen: Will Thailand ein Reiseziel bleiben, das sich durch authentische Erlebnisse und intakte Natur auszeichnet? Oder wird es den kurzfristigen finanziellen Erfolg über alles andere stellen?
Die Zeit wird zeigen, ob Thailand den schmalen Grat zwischen Massentourismus und Nachhaltigkeit meistern kann – oder ob es erneut von der Welle der Besucher überwältigt wird. Eines ist sicher: Wir werden das weiter mit kritischem Blick beobachten, auch wenn die TAT uns wegen solcher Artikel schasst und ThailandSun, den grössten deutschsprachigen Reiseführer für Thailand, nicht mal mehr in Ihrem Linkverzeichnis erwähnt.
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