14.05.2023
Politik
Thailand vor der Schicksalwahl
Heute wird gewählt mit unfairen Vorzeichen zugunsten der Regierung
Die thailändischen Wähler werden heute in großer Zahl an die Urnen gehen, um eine folgenschwere Entscheidung über die Zukunft ihres Landes zu treffen. Nach Jahren des schwelenden politischen Konflikts dürfte die Abstimmung ein entscheidender Schlagabtausch zwischen liberalen und konservativen Kräften werden.
Sie wurde auch als ein Kampf zwischen Angst und Hoffnung beschrieben. Auf der einen Seite fürchten viele Menschen den Wandel, weil sie überzeugt sind, dass er schlimme Folgen für das Land haben wird. Auf der anderen Seite sehnen sich die Menschen verzweifelt nach Veränderungen und sind sich sicher, dass diese zu einer besseren Zukunft für das Land führen werden.
Ein großer Teil der Bevölkerung ist jedoch zutiefst unzufrieden mit der derzeitigen Regierung und der Art und Weise, wie sie das Land regiert. Sie fordern eine Reform des Militärs und der Monarchie sowie anderer nationaler Institutionen. Sie sagen, Thailands Entwicklung sei zu lange durch eine veraltete und autoritäre Führung behindert worden. Diese Menschen hoffen auf eine neue Regierung, die den von ihnen gewünschten Wandel herbeiführen wird.
Wie auch immer das Votum ausfällt, es ist schon jetzt die Rede von einer Schicksalswahl in dem beliebten Urlaubsland. Viele Szenarien sind denkbar. Es könnten wieder Proteste und Chaos drohen, beides ist Thailand nicht fremd. Ebenso wenig wie Militärcoups: Seit den 1930ern.
Entschieden werden mit den Wahlen nicht nur die allgemeine politische Zukunft des Landes, sondern auch Themen, die die Touristen betreffen, denn auch Themen, wie Visa, Einreisegebühren, Länderpartnerschaften, Tourismusförderung, Nachhaltigkeit, Umweltschutz oder die zukünftige Cannabis-Politik werden von der zukünftigen Regierung angepackt werden müssen.
Die letzte Wahl fand 2019 statt, fünf Jahre nach dem Putsch von 2014. Prayut wurde dank einer vom Militär eingeführten neuen Verfassung im Amt bestätigt. Ein Jahr später folgten Massenproteste, bei denen eine Reform der Monarchie und Neuwahlen gefordert wurden. Die Forderungen blieben jedoch erfolglos.
Thailand steht an einer Wegkreuzung und muss sich entscheiden, in welche Richtung das Land gehen soll. Ein Weg führt dahin, dass Thailand endlich zu einem vollständig demokratischen Land wird, während der andere Weg, der vom konservativen Establishment regiert wird, von vielen als überholt angesehen wird und an Traditionen wie dem umstrittenen Lèse-Majesté-Gesetz festhält, das extrem lange Haftstrafen für Majestätsbeleidigung vorsieht.
Insbesondere bei jungen Menschen scheint das Bewusstsein für Demokratie in den letzten Jahren gestiegen zu sein. Sie beobachten genau, ob der Wahlprozess respektiert wird und ob die neue Regierung am Ende tatsächlich die Präferenzen der Wähler widerspiegelt. Ob die Wahlen friedlich bleiben, ist derzeit ungewiss. Die Wochen nach der Wahl werden zeigen, ob eine Konsolidierung der Demokratie in Thailand möglich ist oder nicht.
Es wird bereits von einer Schicksalswahl in diesem beliebten Urlaubsland gesprochen, da viele Szenarien denkbar sind. Es könnten wieder Proteste und Chaos drohen, beides ist Thailand nicht fremd.
Auch bei der diesjährigen Wahl ist der regierende General Prayut im Vorteil. Gemeinsam mit den 500 gewählten Abgeordneten entscheiden 250 ungewählte Senatoren darüber, wer Regierungschef wird. Diese wurden 2018 vom Militär ernannt und gelten als loyal gegenüber Prayut. Um ins Amt zu kommen, muss ein Kandidat die Mehrheit der 750 Sitze auf sich vereinen, also 376 Stimmen. Ein schwieriges Unterfangen für die Opposition.
Die Zusammensetzung des Senats wird darüber entscheiden, wer der nächste Premierminister sein wird, und unabhängig vom Ausgang der heutigen Wahl muss jede neue Regierung vom Senat abgesegnet werden, um neue Gesetze zu verabschieden...
Regierungschef Prayut Chan-o-cha lächelt auf seinen Plakaten siegesgewiss. Trotzdem liegt der einstige Putsch-General in allen Umfragen hinten. An der Spitze der Umfragewerte steht Paetongtarn Shinawatra, die Erbin einer Milliardärsdynastie und ein neuer Stern am Politikhimmel. Paetongtarns Vater Thaksin Shinawatra und ihre Tante Yingluck Shinawatra waren in Thailand jeweils mehrere Jahre an der Macht, bevor sie durch Militärcoups entmachtet wurden und ins Exil gingen. Trotzdem hat die Familie in Thailand immer noch viele Anhänger.
Das Thema, das die Menschen im Land am meisten bewegt und den Wahlkampf dominiert hat, ist die Wirtschaft. Obwohl Thailand laut Weltbank in diesem Jahr ein Wachstum von 3,6 Prozent verzeichnen kann, wird dies hauptsächlich durch die Erholung der gebeutelten Tourismusbranche nach der Corona-Pandemie getrieben. Viele Marktverkäufer, Fabrikarbeiter und Landwirte wissen schon lange nicht mehr, wie sie über die Runden kommen sollen.
Die Kluft zwischen Arm und Reich wird auch in Thailand immer größer. Einige Taxifahrer in Bangkok berichten, dass sie oft 16 bis 17 Stunden am Tag arbeiten müssen, um ihre Familien zu ernähren. Häufig kommt es vor, dass sie am Steuer einschlafen, sodass viele einfache Leute nicht sonderlich zufrieden mit dem Status Quo sind.
Im Norden und in Bangkok könnte auch das Thema Umwelt Ausschlag geben, denn die alljährliche extreme Luftverschmutzung von Februar bis Ende April, hat nicht nur viele Erkrankte zurückgelassen, sondern auch dem Tourismus ernsthaft geschadet. Und da hat sich die jetzige Regierung, mit vielen Worten und gänzlich ohne Taten, nicht gerade mit Ruhm bekleckert.
Es wird vermutlich mehrere Monate dauern, bis eine neue Regierung vereidigt wird. Und falls die jetzige Regierung wieder Erwarten gewinnen sollte, dann stellt sich die Frage, ob General Prayut das Wahlergebnis anerkennen wird. Dann wird Ende August das Parlament über den Haushaltsentwurf abstimmen, dann könnte sich zeigen, wohin die Reise geht und ob es eine regierungsfähige Mehrheit gibt. Die politische Situation in Thailand bleibt angespannt und ungewiss.
Nach Schließung der Wahllokale um 17.00 Uhr beginnt der Ausschuss in jedem Wahllokal in ganz Thailand mit der Auszählung der Stimmzettel für die Abgeordneten der Wahlkreise und der Parteilisten und gibt die Ergebnisse bekannt, damit sie von der Öffentlichkeit, den Wahlbeobachtern und den Parteivertretern auf ihre Richtigkeit überprüft werden können.
Die inoffiziellen Ergebnisse der Parlamentswahlen werden in einigen Wahllokalen bereits um 18.30 Uhr, also nur neunzig Minuten nach Ende der Stimmabgabe, bekannt gegeben. Die Medien und die Öffentlichkeit können sich über das System "ECT Report" über die Auszählung der Stimmen informieren. Die Wahlkommission hatte zuvor erklärt, dass die inoffiziellen Wahlergebnisse frühestens um 22 Uhr am Sonntag zu erwarten sind.
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